Rosh Hashanah
Ich habe überdurchschnittlich schnell das Befremdheits- und auch das Beklommenheitsgefühl verloren, das mich in den ersten ein zwei Wochen beschlich, wenn ich bärtige Gelehrte durch West Village schreiten sah, Jungen mit Kippa am Ufer Port Jeffersons einen Angelhaken beködern, und Synagogen, Davidsterne und hebräische Schrift sich aneinanderreihen in besonders Williamsburg, BK. Wenn ich von hier aus allerdings nach Deutschland rübergucke, könnte sich die Beklommenheit revers bemerkbar machen in Form jener Leere, stellenweise zu füllen versucht mit Denkmälern aus Rost.
An jüdischen Feiertagen finden in Amerika keine Seminare statt - well, zumindest nicht in den Gegenden Amerikas, in denen überdurchschnittlich viele Juden leben. Das ist in New York der Fall, mit (in der City) 12% jüdischer Bevölkerung - im Vergleich zu den durchschnittlichen 2% Juden Restamerikas.
Heute ist in Amerika solch ein freier Tag - wir feiern jüdisches Neujahr. Die Welt wird heute 5768 Jahre alt und alle Studenten bleiben zuhause und schalten das Radio ein, während der Balkon sonnenbeschienen, im Garten immer noch der Müll von vor zwei Jahren und zwischen all dem Wirrsal eine Postkarte aus Irland im Briefkasten deponiert darniederliegt. Dann haben alle Studenten Amerikas endlich die Zeit, ihre vernachlässigten Weblogs zu pflegen und Emails an alle Inderweltverstreute zu schreiben, auf dass man sich eines Tages in Südkorea wiedertreffe. Alle Studenten lernen endlich, wie die Industriewaschmaschine in der Laundry unten funktioniert. Und alle Studenten, die eine Art abnormen Bewegungsdrang verspüren, haben heute die Gelegenheit, Long Island Suburbia zu erkunden via Fahrrad, zu Fuß oder wasimmer ihnen als Gefährt einfällt. Alle Studenten? Nun, beinah.
Manche von uns wurden in dieser Inkarnation offenbar mit besonderen Aufgaben betraut. Besonders die deutschen Austauschphilosophen in Stony Brook tragen sich verantwortungsvoll von einem Ort zum andern. Zettelweise Papieranweisungen, die sich zu Stapeln schichten, welche die wagemutigen oder auch blindäugigen Austauscher dann bis zur Nas gereiht vor sich hertragen wie Atlas die Welt auf seinen Schultern, fallen sie in International Offices ein, lungern am Student Account oder am Bursar Office herum, stehen in der falschen Schlange der Health Insurance, erfahren durch den Hintereingang, dass sie noch $900 nichterwähnte Fees zahlen müssen, müssen dringend mit Nancy sprechen, erwischen aber nur Erin und Erin hat leider keine Ahnung, kassiert alle according Papiere ein und macht keine Kopien, verspricht aber, sie weiter zu leiten;
während die Austauscher auch nach Stunden noch vergeblich auf Antwortmail von Nancy warten, nutzt zumindest die Sommererkältung den freien Tag, um sich genüsslich in der Mittagssonne zu entfalten und den Großteil der denkbaren Körperteile für sich in Anspruch zu nehmen. Statt Kaffee trinken die Befallenen dann literweise Maroccan Peppermint Tea to go und schleppen sich und die Papiere sowie auch den Tee von einer Campusbank zur nächsten, frösteln bei 25°C und wissen noch gar nicht, wie sie bis morgen zur Party wieder fit sein sollen, auf der wichtige Professoren mit ihnen sprechen zu wollen geplant haben sollen.
Vermutlich hilft in solch einem Ernstfall wirklich nur Amerikanische Medizin, wie sie hierzuorten im 7/11 erhältlich ist. Ein Selbstversuch der letzten Nacht hat ergeben, dass die Wirkung einer für Erwachsene üblichen Dosis Erkältungssaft etwa 3-4x so stark ist wie deutsche Vergleichsprodukte. Manche der Spontanerkrankten fühlten sich demnach buchstäblich wie auf Drogen oder under the influence. Da kann man nur von Glück sagen, dass heute frei ist.
An jüdischen Feiertagen finden in Amerika keine Seminare statt - well, zumindest nicht in den Gegenden Amerikas, in denen überdurchschnittlich viele Juden leben. Das ist in New York der Fall, mit (in der City) 12% jüdischer Bevölkerung - im Vergleich zu den durchschnittlichen 2% Juden Restamerikas.
Heute ist in Amerika solch ein freier Tag - wir feiern jüdisches Neujahr. Die Welt wird heute 5768 Jahre alt und alle Studenten bleiben zuhause und schalten das Radio ein, während der Balkon sonnenbeschienen, im Garten immer noch der Müll von vor zwei Jahren und zwischen all dem Wirrsal eine Postkarte aus Irland im Briefkasten deponiert darniederliegt. Dann haben alle Studenten Amerikas endlich die Zeit, ihre vernachlässigten Weblogs zu pflegen und Emails an alle Inderweltverstreute zu schreiben, auf dass man sich eines Tages in Südkorea wiedertreffe. Alle Studenten lernen endlich, wie die Industriewaschmaschine in der Laundry unten funktioniert. Und alle Studenten, die eine Art abnormen Bewegungsdrang verspüren, haben heute die Gelegenheit, Long Island Suburbia zu erkunden via Fahrrad, zu Fuß oder wasimmer ihnen als Gefährt einfällt. Alle Studenten? Nun, beinah.
Manche von uns wurden in dieser Inkarnation offenbar mit besonderen Aufgaben betraut. Besonders die deutschen Austauschphilosophen in Stony Brook tragen sich verantwortungsvoll von einem Ort zum andern. Zettelweise Papieranweisungen, die sich zu Stapeln schichten, welche die wagemutigen oder auch blindäugigen Austauscher dann bis zur Nas gereiht vor sich hertragen wie Atlas die Welt auf seinen Schultern, fallen sie in International Offices ein, lungern am Student Account oder am Bursar Office herum, stehen in der falschen Schlange der Health Insurance, erfahren durch den Hintereingang, dass sie noch $900 nichterwähnte Fees zahlen müssen, müssen dringend mit Nancy sprechen, erwischen aber nur Erin und Erin hat leider keine Ahnung, kassiert alle according Papiere ein und macht keine Kopien, verspricht aber, sie weiter zu leiten;
während die Austauscher auch nach Stunden noch vergeblich auf Antwortmail von Nancy warten, nutzt zumindest die Sommererkältung den freien Tag, um sich genüsslich in der Mittagssonne zu entfalten und den Großteil der denkbaren Körperteile für sich in Anspruch zu nehmen. Statt Kaffee trinken die Befallenen dann literweise Maroccan Peppermint Tea to go und schleppen sich und die Papiere sowie auch den Tee von einer Campusbank zur nächsten, frösteln bei 25°C und wissen noch gar nicht, wie sie bis morgen zur Party wieder fit sein sollen, auf der wichtige Professoren mit ihnen sprechen zu wollen geplant haben sollen.
Vermutlich hilft in solch einem Ernstfall wirklich nur Amerikanische Medizin, wie sie hierzuorten im 7/11 erhältlich ist. Ein Selbstversuch der letzten Nacht hat ergeben, dass die Wirkung einer für Erwachsene üblichen Dosis Erkältungssaft etwa 3-4x so stark ist wie deutsche Vergleichsprodukte. Manche der Spontanerkrankten fühlten sich demnach buchstäblich wie auf Drogen oder under the influence. Da kann man nur von Glück sagen, dass heute frei ist.
_vel - Sep 13, 15:07