Philosophy 24/7 and Snow the 1st
Hamse grad mal die gefallenen gelben und roten Blätter zusammengeharkt, fällt auch schon der erste Schnee. Rieselt vor dem Fenster, leise sieht das aus. Vielleicht bald mit Schlitten. Vielleicht stoppt jetzt das Verkehrsnetz. Es gibt eine help line (man wählt für sowas immer den local code und dann das Wort, um das es geht, hier also SNOW, als Zahlenfolge), die einem Bescheid gibt, ob die Busse fahren oder ob dies ein Snow Day ist.
Letzte Woche hatten wir einen Philosophen aus England zu Gast, mit dem es Vorträge und Exklusivseminare gab sowie ein ziemlich offizielles Essengehen in Stony Brook. Simon Critchley ist sein Name, sein Schal erinnert an ein Palästinensertuch, sein phänomenologischer Schwerpunkt ist vermutlich der Grund weshalb ich noch nie von ihm gehört habe, und außerdem ist er der einzige mir bekannte Philosoph, der seine eigenen Videos bei youtube reinstellt.
Und auch davon abgesehen habe ich den Eindruck, hier ist Philosophy 24/7. Alles arbeitet von morgens bis mitternachts an Drafts, Presentations, Papers. Dann gibt es Pause und die nächsten Konferenzen werden vorbereitet, eine findet in der City statt, eine andere in Melbourne. Dann gibt es Leute, die Papers einreichen für Konferenzen. Nebenbei wird sich für Europa 2008 beworben.
In den Kaffeepausen kommt man zunächst überein, dass man alle keine Ahnung hat, worüber man gerade schreibt. Dann bleibt das Thema an einem Namen oder Konzept hängen und man verquatscht den ganzen Nachmittag. Leute streiten sich, ob Philosophy und Poetry nun Dasselbe oder aber vielmehr strikt zu trennen sind. Übersetze verqueren Heidegger mit Leuten, die mir dafür Kaffee kaufen und werde zu Brecht-Stücken ausgefragt in terms of moral philosophy. Ich hatte glaub ich schon erwähnt, dass hier auch beinahe alle unterrichten und die classes dann natürlich auch noch vorbereitet, abgehalten, im Nachhinein nochmal besprochen, die Exams formuliert und später gegradet werden müssen.
Mein Postfach bekommt jeden Tag etwa 5-8 neue Mails zum Thema Konferenzen, Ausnahme-Talks, Jobs in Philosophy. Wenn ich mich in meine sozialen Netzwerke einlogge, berichtet mir der News-Updater, dass meine Kommilitonen Philosophy Applications zu ihrem Facebook-Profil geaddet haben.
Zwischendrin gibts auch immer nochmal Colloquium und Reading Groups. Ich habe den Eindruck von Professionalität und obwohl ich bisher noch brav mich mehr oder weniger mitziehen lasse, wird es mir schon manchmal ein bisschen zuviel. Ich weiß nicht, ob dieses Hammerprogramm daran liegt, dass wir in Amerika sind, oder eher daran, dass in einem PhD-Programm. Vielleicht aber auch keins von beiden. Aus meiner ersten Uni kenne ich das noch und da war das genau richtig so. Aber zwischenzeitlich habe ich ja drei Jahre verschlafen und also muss man da erstmal wieder reinkommen.
Morgen habe ich meine presentation, für die ich Dissertationsmengen an Ideen, Gedanken, Material, Literatur gesammelt hab. Und immer noch stecke ich mitten in der Arbeit. Weiß nicht, ob ich hoffen soll, dass die Busse fahren oder dass sie nicht fahren.
_vel - Dec 2, 09:29