Geburtstag (2): Picknick im Central Park

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Ich hatte das schon in Tübingen vor.
Auf einer Bank saxophonierte eine traurige Seele inmitten des Literary Walk mit einer Reihe Schriftstellern in Skulpturen stirngefurchten Europäern gleich den Walk entlang aufgereiht. Und eine erstaunliche Assoziation: Ich habe ja schon ein paar Parks gesehen, auch größere, und so. Aber mir kam hier tatsächlich der Bochumer Stadtpark in den Sinn. Sas ging es genauso. Und warum? Vielleicht lag es an den deutschen Linden, die zumindest im südlichen Teil des Parks zuhauf herumstehen und Landschaft machen.

Bis auf das rotweißkarierte Plaid war für alle Klassiker gesorgt: Die zutraulichen Squirrels wurden mit Nüssen gefüttert, bis sie fast bis auf unseren künstlich hergeschafften Felsen gehüpft kamen. Auch ein paar Vögelchen zeigten sich interessiert. Hinter uns beschwerte sich ein Hippiepärchen über unseren disrespect of privacy während unserer Fotografiererei (obwohl wir die Vögelchen fotografierten und nicht die Hippies). Ich werde an dieser Stelle aus diesem Grund auch auf eine nähere Beschreibung des Hippiepärchens verzichten.

Man kann sich ans Essen von Outtakes gewöhnen. An den ganzen Müll, den man mit einer Mahlzeit produziert. Man kann die ganzen kleinen Items mögen lernen, die es so braucht, um bspw einen ordentlichen to go-Kaffee zu sich nehmen zu können, Splenda in den Kaffee und Pappringe um den hot content-Becher rum. Wenn du was zu essen mitgekauft hast, kommt der Kaffeebecher in eine braune Papiertüte. Und die braune Papiertüte kommt neben das plastikverpackte Essen in eine Plastiktüte. Napkins für den halb verschütteten Kaffee bei Ankunft auf Wiese, Plastikbesteck und hölzerne Umrührstäbchen für eventuelle Nachbehandlung des Outtakes vor Ort. Zu Anfang nimmt man sich noch vor, all das Zeug wiederzuverwenden. Allerdings ist das, zusammen mit anderen europäischen Verhaltensweisen, irgendwo zwischen den letzten Wochen auf der Strecke geblieben. Und auf eine Art schien das auch nötig zu solch ominösen Zwecken wie Integration.

Wie auch schon im Washington Square Park - dem quasi Campuspark der Studenten der um jene Grünfläche aufgereihten NYU - beobachtet: Breakdance-Shows jenseits der 80iger, von der Bronx straight nach Lower Manhattan, die die Leute auch wirklich mitreißen. Kommt selten vor, Mitgerissenheit in heimischen Landen. Allerdings ist hier auch gleich das Fernsehen zur Stelle. Andererseits gibts auch keine Sozialhilfe, von daher muss man schon Programm machen. Also vergessen wir das Fernsehargument.

Und Straßen gibt es im Central Park. Asphaltierte Straßen, Zebrastreifen für Fußgänger und Ampeln für die Ignoranten. Mehrere Spuren auf den asphaltierten Straßen, für Jogger, für Fahradfahrer, ich weiß nicht ob auch für Taxis, für Rollerblader jedenfalls und für Skate- und Snakeboarder. Und natürlich für die Kutschen. Eine Kutsche nach der anderen. Jetzt werden die Touris in den Kutschen von Touris außerhalb der Kutschen fotografiert,
Touris in den Kutschen auf den Asphaltstraßen vor einem Hintergrund deutscher Linden vor einem Hintergrund hervorlugender Hochhausfassaden.

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hier zB mit Rockefeller Center, über das es auch schonmal eine Geschichte gab.
Talakallea Thymon - Oct 2, 05:20

Alles gute zum geburtstag!

(also, die wiegenfestalarmfunktion von studivz ist ja schön und gut, aber wenn man am fraglichen tag offline ist, hilf es auch nichts. vielleicht schalte ich das nächste mal einfach das gute alte gedächtnis 1.0 ein ...)

ein wort zu den tüten und zur integration: letztere bedeutet doch nicht, daß man auch das mitmachen muß, was man als mist empfindet, oder was, aus unabhängiger evidenz, mist ist. ich da ein anecker. in El Alto eine stunde lang mit einer bananenschale in der hand herumgelaufen, weil einfach nirgends ein abfallkorb zu finden war. die straßen, durch die ich ging, bunt von gemüseabfällen. die leute sahen mich an, als käme ich vom merkur. aber so bin ich eben. und in griechenland, als mir dann irgendwann auch klarwurde, daß das einkaufstütenzumülltütenrezyklieren nichts brachte, immer an der kasse mein sprüchlein aufgesagt, ich brauch keine tüte. dabei jedesmal in das entgeisterte gesicht der kassiererin gestarrt, die mir schon ein bündel von sechs bis acht tüten über die einkäufe geworfen hatte. ich blieb eisern.

_vel - Oct 2, 12:36

Re: Integration

Danke Dir! Und mach dir nichts draus, mein Gedächtnis ist auch leck. Nicht erst seit StdVZ, sondern schon immer, was Daten betrifft. (Wird weder schlechter noch besser damit.)

Nee klar. Ich trag schon immer meine Leinentüte mit mir rum, übrigens noch dieselbe wie vor drei Jahren.

Und ich habe auch immer noch ein schlechtes Gewissen bei all dem Unnötigen, habe aber das Gefühl, es wird langsam weniger. Das ist halt so. Nicht weil das richtiger wäre.
Ich denke, ich bin .. vielleicht .. weniger eisern als du.
Anecken mag ich auch nicht, nehme es als Epieffekt aber in Kauf.

Ich bin nicht für Prinzipien um der Prinzipien willen (womit ich dir das aber nicht unterstellen will). Manche Dinge bewerte ich tatsächlich; bemühe mich, das so wenig wie möglich zu tun, aber wie du schon richtig sagst, manche Sachen sind halt auch einfach scheiße.
Andererseits will ich verstehen, wie es ist, hier zu leben, und pragmatisch gedacht macht es keinen Unterschied für den Müllberg, ob meine Tüte da auch noch draufkommt, sehr wohl aber einen hinsichtlich meines Verständnisses für die amerikanische Lebensweise, wenn ich mich wichtigen Habitus enthalte.

Dazu gehört zB auch, nicht panisch zu werden, weil ich hier keine homöopathische Medizin finde und stattdessen Antibiotika nehmen muss und alle Symptome mittels Universal Surpressors unterdrücken.
Natürlich sind das schon alles die Klischees. Allerdings sind die Leute um mich herum auch nicht kränker als ich (im Normalzustand).

Andererseits wiederum werde ich hier trotzdem nicht zum Carnivor, auch wenn das - mal abgesehen von der City - die favorisierte Ernährungsweise hier ist. Das hat gar nichts mit Eisernhaftigkeit zu tun. Das steht einfach überhaupt nicht zur Diskussion.
As you see, it is something in between.

Oh und um noch eine Vorhersage zu tätigen: Ich denke, je integrierter ich mich fühle, desto mehr werde ich auch zu meiner gewohnten Lebensweise zurückkehren. Dann werde ich auch nicht so schnell das Gefühl haben, anzuecken. Im Moment fallen mir also die Unterschiede wohl noch auf.
Talakallea Thymon - Oct 2, 13:13

schön, mal wieder mit dir zu plaudern!

du hast natürlich ganz recht, irgendwann wird das eigen verhalten zu selbstzweck, unhiterfragt und scheinbar keiner begründung mehr bedürfend. andererseits ist es natürlich im dienst der selbstdisziplin, wenn man in dingen, die auch mal unangenehm sind, die man aber trotzdem für richtig hält, so viel routine und selbstverständlichkeit entwickelt, daß man nicht mehr darüber nachdenkt und schon deshalb nicht ins schwanken gerät. wie du es selbst sagst: es steht nicht zur diskussion.

mit dem anecken ist das so bei mir, daß ich im ausland oder überhaupt fremder umgebung eine ganz andere herangehensweise habe, mich dem anderen zu nähern (oder eben nicht). generell sehe ich mich immer als ferner beobachter, der sich im beobachten distanziert. ich habe nie das bedürfnis gehabt, einzutauchen oder eine andere lebensart auszuprobieren. ich liebe die griechische küche, aber irgendwann wurde ich wahnsinnig, als ich schon wieder für haferflocken oder butter das dreifache zahlen mußte wie zuhause ("das sind doch grundnahrungsmittel!") oder ich vermißte vollkornbrot. und ich hab auch nie verstanden, warum es in griechenland nicht üblich ist, miete, strom etc per dauerauftrag zu bezahlen und betrachtete an jedem monatsersten die schlangen vor den bankschaltern mit einer seltsamen mischung aus aufbrausendem zorn ("sind die albern!") und boshaftem amüsement ("selbst schuld!"). als abgrenzter fremdkörper distanziere ich mich von allem, was nicht so ist, wie ich es kenne -- wobei ich oft den fehler gemacht habe, das vertraute zum maß aller dinge zu nehmen, ob dieses vertraute nun an sich begründbar vorzuziehen war oder nicht. ich blieb immer, stellte ich fest, fremder, und umso mehr, je länger ich mich dort aufhielt.
damals (also in griechenland) ist mir auch klargeworden, daß ich die größten schwierigkeiten hätte, auszuwandern.

die eine tüte mehr oder weniger macht natürlich nichts aus -- aber ist das nicht immer das argument, wenn es darum geht, im kleinen was zu ändern? der eine thunfisch, den ich esse, was macht das schon? mein auto für sich genommen trägt nicht zum waldsterben bei. das bißchen papier, das ich verbrauche, mein gott!

aber ich gebe zu, daß ich auch einen gewissen genuß empfinde beim anecken, insofern würde ich nicht nur aus hehren gründen die tüten liegenlasen, oder zuhause eine thermoskanne kaffee vorbereiten. und mich dann beömmeln, wenn ich wieder vor den augen der anderen vom merkur komme ;-)

_vel - Oct 10, 06:57

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Ich habe folgende Unterschiede gefunden:

- Ich ecke überhaupt nicht gerne an. Es ist mir sogar sehr unangenehm. Vermutlich gibt es kaum etwas schlimmeres für mich, als wie vom Merkur behandelt zu werden.

- Ich weiß nicht, was eine fremde Umgebung ist. Ich hatte sie hier zu finden erwartet, finde nun aber weder sie noch mich in ihr fremd. Was heißt in diesem Zusammenhang dann: Sich etwas nähern? Wenn man es als gar nicht so weit weg empfindet.

- Ich beobachte nicht, ich lebe. Entschuldige, wenn ich das jetzt so einander ausschließend gegenüber stelle, natürlich kann man leben und beobachten. Das ist natürlich, was ich hier tue, ich blogge über meine Zeit in Amerika. Ich blogge über Amerika. Ich blogge sogar über Amerika aus meiner europäischen Perspektive. Und ich blogge über Europa aus meiner neuen amerikanischen Perspektive. Und noch was, und noch viel wichtiger, eine Menge Erfahrungen verlaufen hier völlig anational. Ich begegne Menschen, Menschen begegnen mir. Das gibt ganz neue Formen der Kommunikation. ZB habe ich einen Poeten kennen gelernt, der gar nicht mal so wenig Deutsch kann. Wir sprechen Englisch most of the time, aber wenn ich mal nicht weiter weiß, switche ich ins Deutsche und dann versteht er das und antwortet. Und das mit Gedichten. Das gibt einen Austausch, wie ich ihn in Deutschland nicht gehabt habe bis jetzt.

- Das mit der griechischen Küche ist für mich exemplarisch für das deutsche Annähern an andere Kulturen. Das kann ich sagen, weil die deutsche nicht meine erste Kultur ist. Deutsche machen am meisten Urlaub, Deutsche kochen gerne fremd. Deutsche mögen Spanien, Italien, Kroatien, Griechenland und die Türkei. Aber Deutsche sprechen in Deutschland in der Regel nicht mit Fremden. Deutsche Bahnbeamte können prinzipiell kein Englisch. Austauschstudenten in Deutschland leben in über 90% aller mir bekannten Fälle (i.e., durch kurze Treffen auf Fluren o.ä.) äußerst isoliert unter sich Austauschstudenten. Deutsche verlieren schnell die Geduld in Gesprächen mit Ausländern, wenn diese zuviele Fehler machen. Deutschen fällt jeder Fehler auf, den Ausländer machen.

- Ich kann mir gut vorstellen, auszuwandern. Das einzige, was mir Sorgen macht, ist der ganze Papierkram und dass ich natürlich sprachlich erschwerte Bedingungen hätte die erste Zeit usw. Aber dann wieder denke ich, wieviele das vor mir schon gemacht haben. Ich mag Deutschland, aber ich mag auch Island. Und jetzt mag ich Amerika - zumindest New York, was ja laut Amis nicht mit Restamerika [sic] gleichzusetzen ist. Schlimm, dass die meisten Amis mehr von Europa gesehen haben als ich. Das soll anders werden, wenn ich wieder zurück bin. Ich glaube von hier aus, dass zB Leben in einem anderen europäischen Land überhaupt kein Problem darstellt.

Ich glaube zudem, man sieht umso mehr Unterschiede, je ähnlicher man sich ist. Vgl. im anderen Text die unterschiedlichen Grüppchen in Baden-Württemberg. Ich habe hier eine Engländerin kennen gelernt, die klagt über viele Unterschiede. Ich dagegen lerne jeden Tag, kulturell, sprachlich, sozial, über mich oder Herkunft oder andere Metathemen und dann auch noch das Zeug, was ich sowieso lernen sollte, an der Uni. Ich habe vielleicht eine andere innere Haltung zu diesem Land als eine, die hier einfach Englisch sprechen kann, aber bei manchen Wörtern oder beim spelling darauf achten muss, welche Version Englisch sie jetzt zu benutzen hat. War ja bei meiner Auswanderung nach Süddeutschland beinah ähnlich, wobei ich das eher toll fand, als dass ich geklagt hab. Und eigentlich sogar wundere ich mich wirklich, wieviel Deutsch die Amis wirklich können - eigentlich lernt um mich herum fast jeder Deutsch, nun ja, viele haben sich hier ja auch auf Kontinentalphilosophie spezialisiert - , wieviel sie über deutsche Geschichte wissen, wieviel über die einzelnen Berliner Stadtteile, und wieviele Sachen hier einfach auch deutsche Namen tragen.

- Ich fühle mich nicht wohl in der Rolle des "abgegrenzten Fremdkörpers" und strebe deshalb Integration an.

Allgemein noch gesagt: Natürlich war mir beim Schreiben klar, dass es genauso klingt wie das typische: Ach, was macht das denn schon, wenn ICH jetzt aufhöre, Fleisch zu essen? Als aus ethischen Gründen entschiedene Vegetarierin mit Tierrechtsorganisationenvergangenheit kenne ich diese Argumentationsweisen, Slippery Slope reversed, gut genug. However, ich dachte, der Unterschied wäre klar geworden. Das Plastikbesteck hat seinen Weg in unser Kücheninventar gefunden. Die Pappbecher nicht.

Ich mag deine Selbstbeobachtung. Du weißt ja, warum du niemals in Griechenland leben wollen würdest / könntest (hier synonym). Wenn du Besucher bist und dich wohlfühlst als solcher, und Griechenland weiß, dass du es nur besuchst, ist das ja auch völlig in Ordnung so. Ach TTh, und verzeihe mir den groben Ton, hier wie auch in Delaware. Ich hoffe, du nimmst es nicht persönlich und dementsprechend ps.: Natürlich bist du nicht der typisch deutsche Griechenlandtourist.
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