mit 'Dieter' in Berlin

So liebe Freunde, in Deutschland ist es inzwischen kuehl geworden. Infolge eines ungluecklichen Aussetzers habe ich meine Jacke verloren an einen dahergelaufenen Hipster auf der Schoenhauser Allee. Nun bin ich keinesfalls jackenlos; eine Dauerleihgabe meiner Freundin kommt mir zuhilfe.

So alt bin ich schon, und dennoch lasse ich mich erneut von Minderjaehrigen herumschubsen. Berlin ist auf Dauer sowieso kein Pflaster fuer mich. Der Himmel bewegt sich teilweise tagelang nicht, ich kann an der Leute Unfreundlichkeit keinerlei Originalitaet feststellen, die Haeuser mopen in der Landschaft vor sich hin und gestarrt wird trotz aller vielleicht existierenden Internationalitaet hier genauso wie im Schwoabelond.

Nun haben wir das Glueck, in einem netten obwohl schon ziemlich kalten Altbau zu wohnen. Auch die Mitbewohner, wenn sie sich mal zeigen, sind nett. Es ist schoen, mal voruebergehend mit alten Freunden in derselben Stadt zu wohnen. In Florida habe ich es vermisst, mal mit jemandem einfach Kaffee trinken zu gehen. Und auch der Job, den ich spontan gefunden habe, fuellt meine Kalenderblaetter angenehm aus.

Abgesehen davon bekomme ich wieder itchy feet. Noch zehn Tage bleiben uns in der Hauptstadt; dann kommt Bremen und dann mein Geburtstag und Edinburgh. Ich kann es kaum erwarten, die Stadt zu verlassen - das erschliesst sich mir selber nur ansatzweise. Vielleicht steht einfach noch zuviel an. Vielleicht machen sich Orte nach einer Weile Stillstand nun schneller verdaechtig. Oder es fehlt einfach das Flugzeug.
Lisbeth (guest) - Sep 18, 12:00

Das mit dem Dieter versteh ich nicht.
Ich hoffe Du besuchst Deine Eltern dann komm ich Dich im Pott
besuchen. Ansonsten ist die Gefahr groß dass Du plötzlich wieder
davon gehuscht bist und wir uns nicht sehen in dieser Zeit. Das wäre schade.
Here, there and anywhere...

_vel - Sep 21, 09:09

Vera zufolge wurde das Tief, was gerade Deutschland heimsucht, auf 'Dieter' getauft. Ich lauf mit doppelten Pullis rum und das im September - meine Laune ist im Erdgeschoss.

Meine Eltern besuche ich voraussichtlich ueber Weihnachten und wenn ichs schaffe, auch davor noch - etwa Mitte November. Das weiss ich allerdings noch nicht so genau.. hoffe, wir sehn uns! Email folgt!
FrauK. - Sep 21, 07:05

Meine Theorie ist ja, dass Berlin zum Großteil aus ausgewanderten -u.a. schwäbischen-, sich selbst als "wahlbeheimatet" Titulierenden besteht, die trotz allem "Provinzfassade mit neuer, hipper Trendmetropole(?) überpinseln" das alte Muster vom Starren nie überwinden. Aber in Berlin fühlt man sich wohl damit irgendwie...freier, besser, stylisher - kann man sich zumindest vormachen und weiterhin auf alle Nichthauptstädter mit der im Ländle angelernten und im Städle "kultivierten" Arroganz herabsehen, um wenigstens etwas berlineskes Selbstbewußtsein (und, ganz wichtig, "Schnauze") zu internalisieren.
So, genug unbeliebt gemacht. Den neuen Regener les ich trotzdem, im Sinne von coole Sau obwohl in Berlin ;-).
Gibts Chancen auf Kaffee im Pott oder in Bremen?

_vel - Sep 21, 09:15

Ja FrauK., das mag sein. Besonders halte ich mich ja im Edelviertel auf, wo vielleicht einige Muttis gar keine gebuertigen Berlinerinnen sind.. Allerdings gibts natuerlich auch Ausnahmen, letztens zB hab ich die Rosa-Luxemburg-Str. in Mitte entdeckt und da stehen einige nette Laeden. Und auch alle Englischsprachigen, die hier gerade ansaessig sind, sind bisher sehr nett gewesen - ref. English Bookshop, Klamottenverkaeuferinnen und Kunstbeschauerinnen in den von mir bewachten Ausstellungsraeumen.

Schnauzen habe ich bisher, so siehts aus, nur die Ruhrgebiet gemocht - und die Brooklyn.. wobei die sich sehr aehnlich sind, was vielleicht ein Grund sein mag.
Und sogar selbst ich habe den Regener gerade in der Lese - Geschenk eines Freundes.

Und ausserdem ja wie jetzt - wuerdest du fuer Kaffee nach Bremen kommen? Connections?
FrauK. - Sep 22, 13:58

still connected to an old friend of mine...
also...hoff ich...! Sach halt was.
Müßte halt an einem we sein oder am 07./08.10. wg. der Arbeit.
Kannst es Dir ja mal durch den Kopf gehen lassen, wenn Du magst (!), krieg ich das schon irgendwie hin. Lange her.
Anglophile Grüße ;-)!
Talakallea Thymon - Sep 29, 06:44

eine stadt, der zur bezeichnung ihrer stadtmitte nichts besseres als eben, na ja, "Mitte" hat einfallen wollen, das kann ja nichts werden. Ich zucke immer zusammen, wenn ich das höre, so nackt und ohne Artikel, als wäre es wirklich ein Name. "In Mitte", "nach Mitte", also nein. Ist ein bißchen so, als würde man eine Stadt "Stadt" nennen, nicht?
ich erinnere mich immer noch mit schaum vor dem mund einer auseinandersetzung mit einer berlinerin, die allen ernstes behauptete, eine hauptstadt gehöre dorthin, wo "das leben" sei. ha! das leben, eine baustelle.
als Trier und Köln bereits metropolen waren, war Berlin nicht einmal eine sauweide.
das leben, ts.

sas (guest) - Sep 29, 11:44

nee, nee

... wat bin ick froh, dass alle berlin-nichtmöger und über die modebewussten hauptstädter mit und ohne migrationshintergrund-lästerer, sich, wenn überhaupt, dann nur zur durchreise in dieser wunderbaren, facettenreichen und spannenden, sich ständig wandelnden stadt aufhalten. kommentare über unwichtigkeiten (mitte heisst eben mitte, so what?!) würden gehäuft hier nur auf die stimmung schlagen. und ja, da wo das bunte, internationale leben IST, und nicht zu römerzeiten mal WAR, da gehört eine hauptstadt hin, da stimme ich der erwähnten berlinerin zu.

baustellen im übertragenen sinne bedeuten übrigens veränderung und weiterentwicklung, regeneration und heilung, oder auch gesellschaftlichen wie menschlichen fortschritt. den meisten zugezogenen geht es auch gar nicht darum, ihre (nicht immer nur) provinziellen ansichten zu übertünchen (das haben die gar nicht nötig), sondern einfach ihren horizont zu erweitern und nochmal andere perspektiven kennenzulernen, sich weiterzuentwickeln und dabei interessante menschen und dinge kennenzulernen (und nach einem langen tag zur entspannung in gemütlicher atmosphäre sehr leckeren milchkaffee zu trinken oder japanisch oder tibetanisch zu essen).

aber, wir haben ja nun auch schon dreieinhalb millionen einwohner, also bleibt ruhig alle in hobbingen, da ist's ja bestimmt auch ganz schön und so, ne! ;o)).......

p.s.: nicht persönlich nehmen, auch ich schätze diverse andere regionen unseres landes (der pott KOCHT!) und des rests der welt sehr.. aber berlin ist eben berlin. und die meisten berliner leben und arbeiten sehr gerne hier!
Talakallea Thymon - Sep 29, 15:48

commutatio rerum aut ipsae res novae non laudandae quod novae sunt, sed probandum est quantum boni habeant. plus autem valet locus qui iam antiquis temporibus valuerit, gravitate et vi et auctoritate ipsius antiquitatis. nam tempora ipsa praeterita accumulata, hominum spes, consilia, errores, luctus, laetitia, virtutes, vitia, omnia emanant quasi sudorem animam suam, ut, qui sensu quodam subtili et ad genium loci cernendum idoneo non omnino careat, eam percipere possit. hic loci antiqui igitur novis semper praeerunt hoc, quod vetustiores et divitiores temporis sunt et vitae.

_vel - Sep 29, 16:43

Der Pott kocht und

noch waehrend ich im Flugzeug sass, ist hier augenscheinlich eine neue Diskussion entbrannt. Sehr schoen!
Sas, natuerlich bist du die einzig authorisierte Rednerin hier qua langjaehriger Residenz. Und freilich muss man meine Aeusserungen stets im Kontext der Wiederankunft und allgemeiner Deutschland-Tristesse betrachten. Ich glaube, ein stueckweit habe ich auch eine Art deutsches NYC erwartet.. allen Aussagen zufolge. Da bin ich sicher selbst schuld.. :}
TTh, die Passage kommt mir vor wie Cicero.. oder warst du das selbst? Ich fuer meinen Teil komme gerade aus der schottischen Kaelte rein, habe mir das jahrhundertealte Vorbild fuer das Hogwarts angeguckt und kurz an die Neuschwanstein-Diskussion zurueckgedacht.. die nun auch wieder ein Dreivierteljahr zurueckliegt. Viele Gruesse an alle und gerne weiterdiskutieren!
sas (guest) - Sep 30, 10:38

ceterum censeo ...

Carthago esse delendam.
war das auch cicero? oder cato? hach, mein großes latinum ist schon so lange her und mein stowasser ist irgendwie damals im schulschrank geblieben ... .
na - gott sei dank haben wir heute other ways to communicate. also, Tth, in english, please.
die einen glauben caesar, die andren halten sich an kennedy, so bunt ist die welt.

und vezzie - berlin ist größer als new york! ;o) also mehr weite und so, kann man besser atmen, finde ich.
hat aber auch sonst einen ganz anderen charakter, kann man gar nicht vergleichen (oder nur in teilbereichen). hier fehlt der holländische einfluss, das große wasser und das warme klima.
wir haben es hier mit einem ziemlich schwer zu greifenden changeling zu tun...
quote: "Berlin erlebt seit seiner Gründung im 13. Jahrhundert eine wechselvolle Geschichte. Ausgrabungen im Januar 2008 zufolge, ist die Stadt sogar noch älter als bisher angenommen: Landesarchäologen fanden eine Eichenbohle, die vermutlich bereits aus dem Jahre 1192 stammt.
Kaum eine andere Metropole war so oft grundlegenden Veränderungen unterworfen und hat ihr Gesicht so häufig verändert. Während die Bedeutung Berlins stetig stieg, gab es einen Wechsel glanzvoller Epochen und dunkler Zeiten. Doch die Stadt hat es geschafft, von einer geteilten Stadt zu einem pulsierenden Zentrum Europas zu werden."

die eine, die viele ist. :) work in progress, damit muss man umgehen können.
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